Teambildung und Teamentwicklung im Winter? Das geht!
Teambildung und Teamentwicklung im Winter? Das geht!

Teambildung und Teamentwicklung im Winter? Das geht!

Teambildung und -entwicklung im Winter? Im Winter ist es kalt, nass und grau. Daher ist es dann kein guter Zeitpunkt, eine Team- oder Organisationsentwicklung draussen durchzuführen. – Da bin ich anderer Meinung! Aber ganz so einfach wie im warmen Sommer ist es natürlich nicht. Ein paar Gedanken, Tipps und Tricks hierzu in diesem Artikel.

Raus aus der Komfortzone – rein ins Vergnügen und Lernen

Im Winter draussen zu sein, heisst für viele „raus aus der Komfortzone“. Und genau das hätten wir gerne. Denn nur wer sich mal aus seinem „Schneckenloch“ wagt, wird neues entdecken, neue Wege gehen und neue Blickwinkel erfahren. Denn die sogenannte Risikozone ist auch gleichzeitig unsere Lernzone. Wir strecken den Kopf über den Tellerrand, sind etwas zittrig, aufgeregt, aber auch neugierig. Was erwartet uns im „Unbekannten“? Kann ich das überhaupt hier draussen? Vermutlich werde ich ja draussen erfrieren!

Wenn es um Lernprozesse geht, unterscheiden wir grundsätzlich drei Zonen (frei nach Yerkes und Dodson, 1908):

  1. Innerster Ring – Komfortzone – Ich bewege mich in sicherem, gewohntem Terrain. Meine Lernbereitschaft und Neugier ist tief.
  2. Mittlerer Ring – Risiko, Wachstums- oder Lernzone – Ich bewege mich etwas ausserhalb meines Komfortbereiches und lerne durch neue Herausforderungen, welche noch einen Bezug zur Komfortzone herstellen können oder zeitlich ausreichend begrenzt sind. Es herrscht Neugier mit einer Prise Nervosität.
  3. Äusserster Ring – Panik- oder Chaoszone – Ich bin weit ausserhalb meiner Komfortzone und fühle mich hilf- und schutzlos. Es erfolgt Rückzug statt Lernen. Es herrscht Angst und Unwohlsein.

Was wir also beim Lernen erreichen möchten, ist diese gesunde Neugier und Prise an Nervosität, welche die Essenz in der Risikozone ausmachen. Was wir aber auf keinen Fall wollen, ist, dass die Leute einer Gruppe in die Chaoszone geraten. Das passiert meist dann, wenn grundlegende Bedürfnisse über eine längere Zeit missachtet wurden. Zum Beispiel alles rund um die physische Integrität wie Wärme, Essen und Sicherheit. Sind zum Beispiel mehrere Personen der Gruppe durchfroren, wird die Bereitschaft für eine Diskussion zu Werten wohl kaum auf offene Ohren stossen. Landen die Gruppenmitglieder erst einmal dort, kann es extrem anspruchsvoll und zeitaufwändig werden, sie daraus zurück zu holen und ihre Erfahrung wird sein: „Das mach ich nie mehr!“ anstatt „Das war ja viel besser als gedacht und hat mich und die Gruppe richtig zusammen und voran gebracht!“

Wie gelingt uns dieser im Winter besonders schmale Grad mit einer heterogenen Gruppe? Ein paar mögliche Erfolgsfaktoren darauf aus eigener Erfahrung nachfolgend erläutert und illustriert.

Moderationskarten im Schnee
Moderationskarten im Schnee – ein etwas anderes Lern- und Arbeitsumfeld

Eine saubere Vorabklärung

Damit wir bei der Organisation eines Outdoor Teamevents, einer Team- oder Organisationsentwicklung nicht von vornherein uns zu weit aus dem gewohnten Umfeld bewegen und sauber planen können, braucht es ein paar Fragen, welche es in der Regel zusammen mit dem Auftraggeber / der Auftraggeberin zu beantworten gilt. Das könnten unter anderem folgende Fragen sein:

  • Wer sind die Personen in meiner Gruppe?
  • Welche Vorerfahrungen haben sie?
  • Was sind sie sich schon gewohnt an Aktivitäten draussen?
  • Wo könnten die Grenzen und Stolpersteine sein?
  • Gibt es einzelne Personen mit ganz besonderen Bedürfnissen? (z.B. beim Essen, Schlafen…)
  • Wie experimentierfreudig sind sie?
  • Was verbindet sie?

Sind diese Fragen ausreichend beantwortet, haben wir eine erste Indikation, was zumutbar sein könnte und wo die Grenze in Richtung Chaoszone überschritten würde.

Daher meine Empfehlung: Ausreichend Zeit in die Vorabklärung mit dem Auftraggeber / der Auftraggeberin investieren und diese schriftlich mit ihm / ihr teilen.

Der passende Zeitrahmen

Auch wenn wir einen Anlass am selben Ort planen, so ist es ein grosser Unterschied, ob wir von zwei Stunden Raclette oder Fondue am Feuer sprechen oder von einem ganzen Wochenende. Was den einen zu lange ist, ist den anderen zu kurz. Was für die eine Fragestellung zu langwierig ist, ist für eine andere viel zu gedrängt. Der Zeitrahmen muss also wie bei allen Workshops einerseits zum Inhalt und den Fragestellungen passen – aber im Outdoor auch stark zu den grundlegenden Bedürfnissen der Teilnehmenden. So braucht es vielleicht für Bio-Pausen deutlich mehr Zeit, weil es nur eine einfache Toilette gibt oder weil zwischendrin auch ein Aufwärmen eingeplant werden muss. Ein Zustieg mit Schneeschuhen braucht ebenfalls in der Regel länger, als ein einfacher Spaziergang im Sommer. An- und Abkleiden ebenso.

Daher meine Empfehlung: Was bei angenehmen Temperaturen und guter Infrastruktur eine Stunde zur Bearbeitung benötigt, braucht im Winter unter erschwerten Bedingungen schnell mal 1.25 bis 1.5 Mal mehr Zeit.

Unterwegs mit Schneeschuhen - gemütlicher und langsamer unterwegs als sonst zu Fuss
Unterwegs mit Schneeschuhen – langsamer und etwas anstrengender unterwegs als zu Fuss ohne Schnee

Die geeignete Unterkunft

Im Winter sind verschiedene Formen der Unterkunft und für die Übernachtung denkbar. Ob ein Schneeloch, ein Camp, ein Iglu, eine Selbstversorger Hütte oder ein Berghotel – alles ist denkbar und alle haben sicherlich ihren Charme und Nutzen, je nach Gruppe und Inhalt der Themen. Doch welche Unterkunft ist die passende? Diese Frage lässt sich nur zusammen mit der Auftraggeberin / dem Auftraggeber beantworten im Rahmen der sauberen Vorabklärung. Für die eine Gruppe muss es möglichst abenteuerlich sein mit 24 Stunden ganz draussen. Bei der anderen Gruppe reicht der Zustieg mit Schneeschuhen und ein Fondue draussen völlig schon aus, um sie zu stimulieren und danach geht es in die warme Berghütte.

Daher meine Empfehlung: Rechtzeitig die passende Unterkunft wählen – auch mit der Unsicherheit beim Wetter

Gruppe vor heizbarer Selbstversorgerhütte des SAC – Hohganthütte

Gute Instruktion im Vorfeld

„Die werden schon wissen, was sie anziehen müssen!“ Dieser Spruch hab ich schon oft gehört und entspricht grundsätzlich meiner inneren Haltung, die Verantwortung jedem selbst zu übertragen. Doch wenn die Teilnehmenden entweder keine Klarheit über das genaue Programm haben oder sonst kaum Erfahrungen darin haben, was es heisst, längere Zeit draussen unterwegs zu sein, dann braucht es klar, brauchbare Inputs für die Teilnehmenden. Oft hilft eine Empfehlung für die Packliste – oder eben ein etwas detaillierteres Programm und die Möglichkeit, Rückfragen zu stellen. Häufig kommen dann die vermeintlich banalsten aber wichtigsten Fragen, welche unbeantwortet bleiben wie: „Hat es Daunen-Bettwäsche oder synthetische?“ (zum Beispiel für Allergiker), „Hat es eine Dusche?“ oder „Müssen wir Toilettenpapier mitnehmen?“.

Daher meine Empfehlung: Die wichtigsten Fragen beantworten – aber vielleicht auch bewusst ein paar wenige offen lassen, um den Sprung aus der Komfortzone zu starten.

Ausreichend Bewegung und Wärme

Wenn wir uns bewegen, benötigen wir unsere Muskeln. Unsere Muskeln benötigen hierfür im Körper gespeicherte Energie. Wenn wir diese Energie verwerten, wird Wärme erzeugt. Oder kurz: Wenn wir uns bewegen, gibt es von innen warm. Daher ist es gerade in der kalten Jahreszeit wichtig, dass wir unsere Körper warm halten, um aufnahmefähig zu bleiben. Wer friert, ist zu sehr mit sich selbst beschäftigt und kann weder Inputs aufnehmen noch aktiv Inputs teilen. Warm halten können wir uns natürlich auch mit Wärmequellen von aussen. Nur ist ein Feuer im Schnee nicht ganz so einfach (aber in einem Schneeloch wie im Beitrags-Titelbild und unten gezeigt) – aber möglich. Können wir uns draussen nicht mehr ausreichend warmhalten, so sollte es einen warmen, trockenen Zufluchtsort wie eine Hütte oder ein passendes Camp oder Iglu haben zum aufwärmen.

Daher meine Empfehlung: Eine gute Mischung aus innerer Wärme (Bewegung) und äusserer Wärme (Feuer, Unterkunft) in die Planung mit aufnehmen.

Medidative Gruppenübung  Labyrinth
Meditative Gruppenübung „Labyrinth“ – als leichte Form der Bewegung und für die innere Fokussierung

Viel Gemeinschaft

Gemeinschaft ist das, was uns zusammenhält – und auch zusätzlich wärmt. Nicht nur physisch, sondern auch mental. Je ausgewogener eine Gruppe ist – besonders im Winter – desto besser kann sie einzelne tragen, welche drohen, die die Chaoszone abzudriften. Ob das mit motivierenden Worte, einem paar Handschuhe, einem Schluck vom mitgebrachten Tee oder ein ansteckendes Lachen ist. Die Gruppendynamik trägt oft entscheidend zum Erfolg der Übung und dem Wohlergehen aller bei. Vom Programm her kann dies durch den Moderator / die Moderatorin natürlich entsprechend unterstützt werden. Ob mit einem gemeinsamen Kochen, herzhaften Gesprächen, aktivierenden und verbindenden Übungen oder ausreichend Pausen.

Daher meine Empfehlung: Die Gruppe(n) nicht zu klein wählen und die Gemeinschaft aktiv pflegen während dem Anlass.

Gruppe um Feuer in Schneeloch
Gruppe um Feuer in Schneeloch – Das Feuer brennt auf dem unter dem Schnee liegenden Boden

Genügend Rückzug, Erholung und Nahrung

Sind wir draussen unterwegs, bewegen uns viel und arbeiten gleichzeitig, braucht das von allen Beteiligten viel Energie. Dem Aspekt sollten wir besonders Beachtung schenken. Wie schon erwähnt, gehört das Bedürfnis nach physischer Nahrung zu den Grundbedürfnissen. Folglich kann das fehlen derer die einen oder anderen schnell in den Bereich bringen, wo sie nicht mehr aufnahmefähig sind. Ähnlich verhält es sich bei den Pausen. Zwar fehlt uns draussen meist nicht der Sauerstoff und die Luft wird in der Regel selten „stickig“, dafür kostet die Präsenz und die aktive Teilnahme an den gemeinsam zu erarbeitenden Themen uns in kühler Umgebung auch Energie, um den Körper warm zu halten. Auch sind bei Tagesübergreifenden Formaten die sonst im Arbeitsalltag vorhandenen individuellen Pausen (vom vielleicht auch mal nervigen oder sehr mitteilsamen Kollegen) extrem rar. Wenn wir grosszügig Pausen einplanen und warm und etwas üppiger als sonst kochen, können wir wieder unsere Konzentration schärfen, den Teamgeist auffrischen und unseren Energietank füllen.

Daher meine Empfehlung: Ausreichend Zeit für Pausen in Gruppen und individuell geben und beim Essen nicht sparen!

Bank oberhalb von Bürchen, Wallis mit Sicht auf Bietschhorn
Bank zum Ausruhen und als möglicher Rückzug alleine – im Winter oberhalb von Bürchen, VS

Zusammenfassend kann man sagen, es sprechen wenig Gründe gegen, dafür viele für einen Teamevent oder eine zielgerichtete Teambildung im Winter draussen. Jedoch gilt es auch in diesem kühleren, anspruchsvolleren Umfeld, die Grundbedürfnisse der beteiligten Menschen zu berücksichtigen und zu erfüllen und diese mit Sorgfalt einzuplanen und während dem Anlass aktiv zu pflegen. Dass dies eine anspruchsvolle Aufgabe ist, versteht sich von selbst. Daher sollte besonders in solch einem Umfeld ein erfahrener Moderator / eine erfahrene Moderatorin schon ab der frühen Planung mit einbezogen werden.

In dem Sinne: Frohe Wintermonate und spannende Outdoor Workshops!

Herzlich, Daniel Müller

PS: Herzlichen Dank auch an meine Kolleg:innen aus dem Lehrgang zum systemischen Erlebnispädagogen für die tollen Fotos von unserem Wintermodul!

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